Kaiserzeit

Der 18. Januar 1871 markiert den Beginn des Deutschen Reichs. Das Kaiserreich war ein Zusammenschluss der Reichsfürsten und der freien Reichsstädte. Im autoritären Obrigkeits-System des Reichs hatten der Kaiser und sein Reichskanzler das Sagen. Die Bürger wurden lediglich als Untertanen betrachtet, die den Anweisungen des Staates Folge zu leisten hatten. Dieses strenge Regime adeliger Kreise stand in einem harten Gegensatz zu wachsenden Selbstbewusstsein ein erstarkenden Arbeiterschaft.

Viele Schutzmänner und Polizeioffiziere des Kaiserreichs entstammten wie schon ihre Vorgänger dem Militär. Diese Menschen waren nicht für ihren diplomatischen Umgang mit einfachen Leuten bekannt und schließlich hatten sie ihn auch nicht nötig, da ihr Auftrag in einer rigiden Umsetzung des staatlichen Willen bestand.

Der Polizeibeamte der Kaiserzeit war, wenn er nicht der Offiziersebene angehörte, ein schlecht bezahlter und nicht für seinen Beruf ausgebildeter Mensch. Die Kenntnisse für den Beruf schaute man sich von "alten Hasen" ab, die schon länger im Dienst waren. Erst 1901, weniger als zwei Jahrzehnte vor dem Niedergang des Kaiserreichs, öffnete die erste preußische Polizeischule.

Der stark defizitären Möglichkeit berufliche Kenntnisse zu erlangen, stand während der Kaiserzeit ein Übermaß unterschiedlicher, zum Teil sehr anspruchsvoller Aufgaben gegenüber, die aufgrund einer Vielzahl örtlicher Verordnungen zu bewältigen waren. Der kaiserliche Schutzmann war gleichermaßen für die Regulierung des Straßenverkehrs und die Strafverfolgung zuständig wie für den ordentlichen Ablauf von Wochenmärkten, die Überwachung des Leichenwesens, die Überwachung von kommerziellen Herbergen und nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften, aber auch für die Bauüberwachung, die Überwachung von Hygiene und Gesundheit und selbst für die Zensur öffentlicher Theatervorstellungen.


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Polizeianzeiger

In einer modernen Polizeibehörde vollzieht sich der größte Teil des dienstlichen Kommunikationsflusses über Computer. Ganz selbstverständlich nehmen Polizeibeamte heute Informationen zu Einsätzen, dienstlichen Anweisungen und taktischen und technischen Neuerungen per E-Mail oder über das polizeiliche Intranet zur Kenntnis. Aktuelle Informationen werden gestreut, inaktuelle schnell gelöscht.

Hiervon konnten die Polizisten in der Kaiserzeit nur träumen.

Neben den mündlichen Informationen, die man damals bei einem Schichtwechsel von den Kollegen der vorherigen Schicht bekam und den Berichten, die in Aktenordnern abgelegt waren, abgesehen, gab es nur eine einzige standardisierte Informationsquelle: Die Polizeianzeiger.

Es handelte sich hierbei Informationsblätter von wenigen Seiten Umfang, die täglich gedruckt wurden, um die Beamten einer Stadt oder eines Landkreises über alle wichtigen dienstlichen Neuheiten, schwere Unfälle, Verbrechen, gesuchte Personen, aufgefundene Tote oder Personen, die Kontrollen zu unterziehen waren, in Kenntnis zu setzen. Die Polizeianzeiger wurden täglich von Boten in alle Wachen und Kommissariate einer Stadt geliefert, damit alle Polizeibeamten auf den neuesten Stand gebracht werden konnten. Wohlgemerkt: Diese Informationsstreuung beschränkte sich auf die jeweilige Gemeinde. In einer Nachbarstadt erfuhr man von diesen Neuigkeiten zumeist schon nichts mehr, obwohl bestimmte Ereignisse ja auch durchaus über die Stadtgrenzen hinaus wirken konnten. Auch der Tatsache, dass bestimmte Informationen bis zum Austeilen und Lesen der Polizeianzeiger schon nicht mehr aktuell waren, konnte man nichts entgegensetzen. Es waren andere Zeiten (Foto: Kawelovski)

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